Donnerstag, 10. September 2009

Einheit von Körper, Geist und Seele

Seit Beginn der Schwulen Yogagruppe haben mich zahlreiche Teilnehmer in den Kursen besucht, darunter auch viele, die zuvor noch keinen Kontakt zum Yoga hatten. Die häufigste Annahme und oftmals auch Befürchtung, die diese Teilnehmer mit in die erste Stunde brachten war, dass es im Yoga darum ginge, den Körper in akrobatischen Positionen zu verbiegen, und dass es wahrscheinlich Ewigkeiten dauern würde, das Ziel der körperlichen Flexibilität zu erreichen.

Es ist richtig, dass auch Körperübungen in eine Yoga-Stunde gehören. Doch entspricht diese Überbetonung der Körperlichkeit nicht der ursprünglichen Zielsetzung des Yoga. Wie es dazu gekommen ist? Ich glaube, es hängt stark mit unserer Leistungsgesellschaft zusammen, die auch versucht, die indische Philosophie des Yoga in einen Wettbewerb zu verwandeln. Nicht selten habe ich mich selbst beim Besuch von Yoga-Zentren hierzulande über die Kursbezeichnungen „Anfänger, Mittelstufe, Fortgeschritten“ gewundert, die ja zwangsläufig auf Leistung hindeuten. Sicherlich ist es mit der Zeit leichter die Übungen körperlich umzusetzen, und sicherlich ist es auch als Orientierung gut zu wissen, in welchen Kurs man geht. Doch führt diese Handhabe dazu, dass sich immer wieder Teilnehmer und Lehrer von Yoga-Kursen benehmen, als wären sie bei einem Wettbewerb.

Zurück in meinen Gruppen: Die Yoga-Stunde beginnt und die Teilnehmer sind dann erst verwundert, dass meine Unterrichtseinheit mit einem theoretischen Teil beginnt, der einen Aspekt der Yoga-Philosophie vorstellt. Im weiteren Unterrichtsverlauf gibt es dann doch immer wieder erstaunen wie sanft und regenerierend die Yoga-Übungen sind, und es braucht erst mehrere Wochen, bis die Tatsache akzeptiert wird, dass es bei der Ausübung der Positionen keine festgeschriebenen Leistungsstufen gibt, sondern dass der Grad der Herausforderung immer selbst gewählt wird. So sitzen meistens Yoga-Neulinge und regelmäßige Teilnehmer Matte an Matte und jeder setzt die Übungen körpergerecht und vor allem mit wachem Geist und gesundem Menschenverstand um.

Das Wort „Yoga“ kann mit dem Wort „Verbindung“ übersetzt werden. Das bedeutet, dass es im Yoga darum geht, Dinge zusammenzuführen: Anspannung und Entspannung, männlich und weiblich, positiv und negativ. Auch ist es wichtig, die Körperübungen mit Atmung und Meditation zu verbinden, also den Körper nicht isoliert zu betrachten, sondern in seiner Einheit wahrzunehmen. Das zu erreichen könnte man dann vielleicht als „Fortgeschritten“ bezeichnen.

Praktische Übung:
Die praktische Aufgabe am Ende des Blog-Eintrags möchte Dir helfen, die erläuterte Theorie praktisch auszuprobieren. Die heutige Übung ist bewusst leistungsfern gewählt, um die Bedeutung der Einheit von Körper, Geist und Seele wahrzunehmen.
Nimm Dir fünf Minuten Zeit für diese Übung, fünf Minuten, in denen Du ungestört von anderen Menschen sein kannst, also bitte auch Dein Telefon ausschalten. Setze Dich in eine bequeme Haltung, wenn möglich in den Schneidersitz. Richte die Wirbelsäule auf und schließe Deine Augen. Atme ruhig und tief in den Bauch ein und wieder aus, möglichst nur durch die Nase atmen. Lenke Deine Wahrnehmung von aussen nach innen. Lasse Geräusche von aussen nicht an Dich heran.

- Versuche als erstes den Körper zu spüren, jedes Detail des Körpers zu erfassen, dass Du jetzt in diesem Moment wahrnimmst.

- Versuche dann als nächstes Deine Gefühle und Dein Seelenbefinden wahrzunehmen. Welche Gefühle sind zur Zeit zu bemerken.

- Nimm als nächstes Deine Gedankenwelt, Deinen Geist wahr. Was beschäftigt Deinen Geist zur Zeit besonders häufig.

- Zuletzt lass Dir noch etwas Zeit, diese drei verschiedenen Ebenen als eine Einheit wahrzunehmen. Stelle Dir vor, wie Körper, Geist und Seele in Verbindung stehen. Du kannst in diesem Zustand auch länger verweilen.

Um die Übung zu beenden atme einmal besonders tief ein und komplett wieder aus und öffne langsam die Augen.

Hinweis: Die praktischen Übungen auf diesem Blog sind immer auf eigene Verantwortung auszuüben und ersetzen keine Anleitung durch persönliche Betreuung im Yoga-Unterricht. Die Übungen sind immer in einem aufgewärmten und für Körperübungen geeigneten Zustand auszuführen. Bei körperlichen Beschwerden (z.B. Krankheiten) oder bestimmten individuellen Voraussetzungen (z.B. momentane oder dauerhafte körperliche Einschränkungen) ist vor einer Übungs-Ausführung mit einem Arzt die Übung abzuklären. Abdul Helal übernimmt keinerlei Verantwortung für die Ausführung der Übung und deren physischen oder psychischen Folgen; die Verantwortung liegt ausdrücklich beim Übenden.

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